Corona und Rheuma

Corona und Rheuma -

ein Risiko?

Rheuma ist eine Erkrankung aus der Vielzahl von Autoimmunerkrankungen.

Das Gefährdungspotenzial nach einer Corona-Virusinfektion ist aus mehreren

Gründen bei diesen Patienten als besonders ernst einzuschätzen:

  1. Das Immunsystem bewahrt uns vor Infektionen und bekämpft Viren und Bakterien, die in unseren Körper eindringen. Bei Autoimmunerkrankungen ist dieser Mechanismus gestört. Die Immunantwort, d.h. die Reaktion des Immunsystems, richtet sich gegen körpereigene Strukturen, die es als fremd wahrnimmt und zu eliminieren versucht. Die dabei in Gang gesetzten Entzündungsprozesse manifestieren sich nicht nur mit progredienten Destruktionen an den Gelenken (z.B. Gelenkrheuma), sondern befallen auch andere Organsysteme, etwa Gefäße, Nieren, Lunge, Leber usw. mit ernstzunehmenden vitalen Folgen.
    Die Beobachtungen zeigen, dass bei diesen Patienten mit einer zunehmenden entzündlichen Prozessaktivität die virale oder bakterielle Infektgefährdung überproportional gesteigert ist.
    Als Hypothese wird diskutiert, dass der Immunabwehr bei dem exzessiven Verbrauch des Entzündungspotenzials für den breiten und intensiven Einsatz der zugrundeliegenden Autoaggressionserkrankung keine ausreichenden Ressourcen mehr für den Kampf gegen eine zusätzliche Infektion zu Verfügung stehen. Um den Gefahren einer schweren Organzerstörung durch eine hohe Entzündungsaktivität zu begegnen zu können und dabei auch die Infektanfälligkeit in dieser Entzündungsphase zu reduzieren, müssen Medikamente eingesetzt werden, die einen dämpfenden Einfluss auf die immunbedingten Entzündungsmechanismen ausüben.
  2.  Als positiver Prognosefaktor zur Prävention von Organschäden durch Autoaggressions- erkrankungen und Reduzierung der Infektanfälligkeit mit hoher Komplikationsrate ist eine gute Kontrolle der hochgetriggerten Entzündungsmechanismen allgemein akzeptiert. Um dieses Ziel zu realisieren, sind zur Behandlung Medikamente unabdingbar, die die hyperergischen Immunreaktionen (gesteigerte Empfindlichkeit bzw. Reaktion eines Organismus z.B. gegen einen Krankheitserreger), sogenannte „Immunsuppressiva“, herunterfahren. Für Medikamente mit diesem Therapieansatz steht eine breite Palette zur Auswahl. Besonders in den letzten Jahren konnten durch ein verbessertes Verständnis der Fehlregulation im Ablauf der verschiedenen Entzündungsstufen Substanzen entwickelt werden, die mehr oder weniger selektiv die unterschiedlichen Organmanifestationen der Autoimmunerkrankungen berücksichtigen. Mit ihrem Zieleinsatz, einer Unterdrückung der Immunaktivität, ist ihnen allen gemeinsam der Hinweis auf eine sorgfältige Beobachtung von Symptomen einer Infektion wegen der erhöhten Infektgefährdung während der Behandlung mit diesen Medikamenten. Zusammenfassend kommt es bei der Entscheidung für oder gegen den Einsatz eines Immunsuppressivum bei Autoimmunerkrankungen, in der Abwägung des Schutzes eines Organes vor einer autoimmun ausgelösten Zerstörung einerseits und oder dem gesteigerten Infektionsrisko mit ernstzunehmenden Komplikationen andererseits zu einem Konflikt (BIAS), der individuell durch den behandelnden Rheumatologen gelöst werden muss.




Welche Medikamente gehören zu den sogenannten Immunsuppressiva?


In der Rheumatologie wird mit Hinblick auf die nachgewiesen günstige Prognose des Krankheitsverlaufs der Autoimmunerkrankung ein sehr frühzeitiger Einsatz von Medikamenten mit immunsuppressiver (-reduzierender) Wirkung gefordert. Die Medikamentenwahl orientiert sich an der Verträglichkeit, an dem Ansprechen auf die Erkrankung, sowie unter dem Gesichtspunkt unterschiedlicher Effizienz bei den unterschiedlichen Krankheitsprägungen innerhalb der Autoimmunerkrankungen.
Sie werden als sogenannte Basismedikamente oder DMARD (Disease-modifying antirheumatic drug) bezeichnet und bestehen aus unterschiedlichen Substanzklassen.

  1. Zu den sogenannten Basismedikamenten zählen MTX (Methotrexat), Leflunomid, Antimalariamittel und Azathioprin. Sie dienen der Erstbehandlung beim Rheuma. Ihre Wirkung ist mit Hinblick auf die Entzündungsabläufe eher global. Der Eintritt eines sichtbaren Behandlungsergebnisses variiert zwischen den Medikamenten und liegt zwischen zwei Wochen und zwei bis drei Monaten.


  1. Im Falle eines Therapieversagens wird dann die Behandlung eskaliert und auf die moderneren Substanzgruppen umgestellt. Zu ihnen zählen die sogenannten Biologicals.
    Ihre Wirkung beruht darauf, dass diese verschiedenen Medikamente selektiv in die verschiedenen Ebenen der Entzündungsabläufe eingreifen.

  2. Alternativ dazu sind die sogenannten JAK-Hemmer, die auf dem Gebiet des entzündlichen Rheumas die neueste Behandlungsmethode repräsentieren. Während Biological als Spritze oder Infusion in wöchentlichen bzw. auch mehrmonatigen Abständen zu verabreichen sind, werden
    die JAK-Inhibitoren in Tablettenform eingenommen. Ihr Angriffspunkt ist sehr frühzeitig beim Start der Entzündung.

  3. Schließlich sind die sogenannten Corticosteroide, etwa Prednsiolon, Dexamethason usw. zu erwähnen, die in der Rheumatologie aufgrund ihrer schnellen Wirksamkeit bei einem Entzündungsschub nach wie vor unverzichtbar sind. Als Dauermedikation, auch in niedriger Dosierung, wird ihr Einsatz unter Rheumatologen sehr unterschiedlich bewertet.


Welche Besonderheiten ergeben sich bei den verschiedenen Immunsuppressiva in Bezug auf eine SARS-CoV-2 Infektion?

Corticosteroide haben eine antientzündliche und damit verbunden auch eine antipyretische (fiebersenkende) Wirkung. Die Unterdrückung einer Fieberreaktion, die ein Kardinalsymptom von COVID-19 ist, birgt ein Risiko, die Infektion zu verschleiern. Cortisol ist ein lebenswichtiges Hormon, das physiologischerweise in Stresssituationen in hoher Konzentration sezerniert wird. Ein Cortisonmangel ist mit dem Leben nicht vereinbar. Langzeitbehandlungen mit Cortison ähnlichen Substanzen, etwa Prednisolon, unterdrücken die Eigenproduktion von Cortisol in der Nebenniere nachhaltig. Deswegen ist dringend darauf zu achten, dass besonders bei vitalbedrohlichen Zuständen, etwa beim Auftreten eines schweren Lungenbefalls im Rahmen von COVID-19, die synthetischen Corticosteroide (Prednisolon) nicht abzusetzen sind, sondern eher die Dosis erhöht werden muss, um in dieser kritischen Situation die fehlende Eigenproduktion dieses Hormons ausreichend zu ersetzen. Während der Behandlung mit Tocilizumab (RoActemra) wird die Produktion von CrP unterdrückt. Dies ist ein Parameter im Blut, der eine Entzündung anzeigt. Diese Nebenwirkung dieses Biologicals ist zu berücksichtigen, weil es einer Fehleinschätzung einer Infektion führen kann.


Welche Empfehlungen geben Sie einem Rheumapatienten über die allgemein bekannten Infektionsschutzmaßnahmen hinaus, die durch die allgemeinen öffentlichen Anweisungen
geregelt sind? Als Rheumapatient sind Sie mit der der Krankheit zugrundeliegenden Immunstörung und den Immunsuppressiven Medikamenten perse im Falle der Infektion für einen schweren Verlauf von COVID-19 exponiert. Ein weiterer Teil der Bevölkerung mit hoher Infektanfälligkeit sind Diabetiker, insbesondere bei unzureichender Blutzuckereinstellung und weiteren diabetesbedingten Störungen der Nierenfunktion und den diabetischen Erkrankungen der Gefäße einschließlich der Herzkranzgefäße.
Die Kombination von Rheuma, vor allem bei der Arthritis mit Schuppenflechte, mit einem Diabetes mellitus kommt in bis zu 60% der Patienten vor. Dabei wirken sich die Entzündungsfaktoren bei einem hoch aktiven Rheuma sehr negativ auf die Zuckerprofile aus . Umgekehrt stimmulieren hohe Zuckerwerte die Rheumaaktivität.
Dieses gegenseitige Wechselspiel zwischen Entzündung und Diabetes bedeutet ein unkalkulierbares Gefährungspotenzial für eine Entwicklung einer COVID-19 mit schwer beherrschbarem ungewissen Ausgang. Achten Sie deswegen sehr streng während der SARS-CoV-2 Pandemie sowohl auf ein gutes Diabetesprofil als auch auf eine akzeptable Entzündungskontrolle Ihres Rheumas. Da der Verlauf und die Behandlung eines Diabetes beim Rheuma rheumaspezifische Merkmale zu berücksichtigen hat, zögern Sie nicht, sich bei Krankheitsentgleisungen mit Ihrem Rheumaarzt in Verbindung zu setzen. Eine SARS-CoV-2 Infektion hat einen bevorzugten Befall (Tropie) zu Schleimhäuten im Mund- und Rachenbereich.
Bei einem möglichen Befall mit diesem Virus sind ernste Folgen dann anzunehmen, wenn eine Vorschädigung des Bronchialsystems durch eine COPD (chronische Bronchitis) besteht.
Von einem Nikotinkonsum ist hier ausdrücklich abzuraten. Schließlich darf ich Sie als Hochrisikopatient nochmals bitten, die öffentlichen Anweisungen des Infektionsschutzes streng zu befolgen.

  • Beschränken Sie Ihre persönlichen Kontakte auf das Nötigste.
  • Schützen Sie sich selbst und zeigen Sie sich solidarisch.
  • Selbstschutz ist die beste Präventivmaßnahme zur Übertragung der Virusinfektion
    auf Ihre Mitmenschen.